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Wertvolle Axt im Ederkies

Helmut Servos übergibt Fundstück dem Gensunger Museum
Von Manfred Schaake

Der Felsberger Helmut Servos hat dem Gensunger Museum eine Steinaxt übergeben, die er im Ederkies gefunden hat. Nach Einschätzung des Archäologen Nils Georg ist die Axt von Menschen benutzt worden, die zwischen 4800 und 4500 vor Christi Geburt im Edertal gelebt haben.

Gensungen/Felsberg. Das Museum Gensungen der Arbeitsgemeinschaft (AG) für Vor- und Frühgeschichte ist um eine Rarität reicher. Dort ist jetzt eine Steinaxt zu bewundern, die Helmut Servos (74) aus Felsberg dem Museum übergeben hat. Anlass war der zehnte „Scherbenkongress” im Museum – eine Zusammenkunft haupt- und ehrenamtlicher Archäologen aus Nordhessen.

Helmut Servos war viele Jahre Vorarbeiter bei dem Unternehmen, das in Felsberg Sand und Kies abbaut. Das Steinbeil stammt aus dem Kies, der in den 1980er-Jahren zwischen der Eder und dem Gasthaus zum Schwan ausgebaggert wurde. Eigentlich wollte Servos schöne bunte Kieselsteine vom Förderband nehmen. Plötzlich fiel ihm das Steinbeil auf. Ohne diesen glücklichen Umstand wäre das Juwel mit den anderen Steinen im Brecher gelandet und zu Kies zermahlen worden. Jahrzehntelang hat er die Rarität im Wohnzimmerschrank aufbewahrt. Durch die Vermittlung eines Nachbarn übergab er den Bodenschatz nun dem Museum. „Ein sehr schönes Stück”, schwärmte der Bezirks-Archäologe Dr. Andres Thiedmann aus Marburg.

Der Archäologe Nils Georg aus Metze hat beim „Scherbenkongress” im HNA-Gespräch Hintergründe genannt: „Die Form der Axt ist typisch für die Rössener Kultur. Das ist eine Stufe des Mittelneolithikums, also eines Abschnitts des Neolithikums, der Zeit der ersten Bauern und Viehzüchter, und datiert somit 4800 bis 4500 vor Christus.”

Das schwarze Felsgestein, aus dem die Axt hergestellt wurde, ist laut Georg ein Amphibolit/Hornblendeschiefer, der im Edertal nicht vorkommt. Größere Vorkommen gebe es in der Wetterau und in Polen. Die geschliffene Axt mit dem Loch für den Schaft war ursprünglich wohl größer, sagt Georg. Sie wurde mehrfach nachgeschliffen. Vermutlich sei die Axt beschädigt und deshalb weggeworfen worden. Es sei aber auch möglich, dass diese Axt nach ihrer ursprünglichen Benutzung noch als Opfergabe verwendet wurde.

Verwendet wurden solche Äxte beim Fällen von Bäumen, dem Aufspalten und groben Zuhauen von Holz, aber auch als Waffe, erläutert der Archäologe. Man könne allerdings nicht viel darüber sagen, wie die Menschen damals in unserer Region gelebt haben. Leider gebe es zu wenige Fundstellen, die solche Aussagen erlauben würden, sagt Georg. Die Menschen seien Bauern und Viehzüchter gewesen: „Sie mussten aber auch vielseitig sein, mussten also auch töpfern können, Kleidung herstellen, Häuser bauen, Geräte selbst herstellen können.” Spezialisierungen als Handwerker oder Händler habe es aber nicht gegeben. Man wisse aber, dass beispielsweise die Rohstoffe für Geräteherstellung – zum Beispiel Feuerstein für Klingen oder Felsgesteine für Äxte – über weite Strecken quer durch Europa transportiert wurden.

Zeit der ersten Viehzüchter

Gelebt haben die Menschen damals in sehr großen trapezförmigen oder schiffsförmigen Langhäusern, erläutert Nils Georg. Diese Unterkünfte waren bis zu 70 Meter lang. Man kann Georg zufolge annehmen, dass mehrere Kleingruppen – eventuell Familien – zusammen ein Haus bewohnten. Diese Häuser seien Teil von dorfähnlichen Strukturen gewesen. Allenfalls sechs bis zehn Häuser hätten ein solches Dorf gebildet. Ein Modell eines solchen Hauses ist übrigens im Gensunger Museum zu sehen. (m.s.)

Die Löcher wurden mit Hilfe von Schilfrohren gebohrt: Die viele tausend Jahre alte Steinaxt aus dem Felsberger Ederkies.

 

Der Finder hat das Steinbeil dem Gensunger Museum übergeben. Von links Helmut Servos, Jörg-Harald Rode, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Vor- und Frühgeschichte, Bezirks-Archäologe Dr. Andreas Thiedmann, die Archäologen Nils Georg und Dr. Eberhardt Kettlitz sowie Bürgermeister Volker Steinmetz

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Schätzungsweise 10 000 Jahre alt: Werner Heinemann aus Diemelstadt-Rhoden präsentierte mit seinem Bruder Karl, rechts, diese Rarität im Gensunger Museum. In der Mitte Gabriele Gräfe vom Museums-Team. Heinemann fand den Knochen – vermutlich von einem Bison, Wisent oder Nashorn – bei Kanalbauarbeiten in Lüchtring an der Weser.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gensunger Gruppe einmalig in Hessen

Gensungen. Für das Gensunger Museum, die 1973 gegründete Arbeitsgemeinschaft (AG) für Vor- und Frühgeschichte sowie den alljährlich stattfindenden „Scherbenkongress” gab es Lob von höchster Stelle. Der Kongress sei eine gelungene Veranstaltung mit steigendem Interesse, sagte Bezirks-Archäologe Dr. Andreas Thiedmann aus Marburg. Und: „Die Veranstaltung und die Gensunger AG sind einmalig in Hessen.” AG-Vorsitzender Jörg-Harald Rode freute sich angesichts der 70 Teilnehmer über einen neuen Rekord. Kurt Sänger – 35 Jahre Vorsitzender und nun Ehrenvorsitzender der AG, hatte vor zehn Jahren die Idee zum „Scherbenkongress”. Hintergrund: Die Hessen-Archäologie veranstaltet jährlich einen Archäologie-Tag mit 300 bis 400 haupt- und ehrenamtlichen Archäologen.

„Für Gespräche, gegenseitiges Kennenlernen und Informationsaustausch bleibt da so gut wie keine Zeit”, sagt Rode. Ziel des „Scherbenkongresses” sei, die Ehrenamtlichen in Nordhessen in lockerer Atmosphäre zusammenzuführen. Der Kongress trage dazu bei, dass die Gensunger AG sowie das Museum hohe Anerkennung bei der Hessen-Archäologie sowie den archäologischen Abteilungen der Universität genießen.

Steinbeile wie das von Helmut Servos wurden auch zwischen Gudensberg und Maden gefunden. Das berichtete der Archäologe und Historiker Dr. Eberhardt Kettlitz, der seit 2007 die Ausgrabungen bei Gudensberg leitet. Er sprach beim „Scherbenkongress” über Bandkeramik und Rössener Kultur im Chattengau 4900 bis 4200 vor Christus. In Gudensberg habe man auch das Skelett eines eineinhalbjährigen Kindes gefunden, das 5500 bis 4900 vor Christus gelebt habe. Das Skelett ist im Kasseler Naturkundemuseum zu sehen. (m.s.)

Lebendige Geschichte – Glücksfälle für Region
Manfred Schaake über die Heimatgeschichte

Heimatgeschichte ist nichts für verstaubte Archive. Wie die Geschichte unserer Heimat lebt, was sie uns von den Vorfahren bis zu 10 000 Jahre und noch länger zurück zu erzählen hat, das wird beispielsweise in den Museen in Gensungen, Fritzlar und Ziegenhain hervorragend präsentiert. Die Ergebnisse der Ausgrabungen zwischen Gudensberg und Maden und wertvolle Funde in der Region sind Glücksfälle. Die Erforschung der Vor- und Frühgeschichte ist dem Engagement vieler Archäologen und Heimatfreunde zu verdanken. Wie vorbildlich diese Arbeit ist und wie gut sie die nachfolgenden Generationen informiert über das Leben anno dazumal, das zeigte sich einmal mehr beim so genannten Scherbenkongress in Gensungen.

Diese einmalige Initiative führt jedes Jahr haupt- und ehrenamtliche Archäologen zusammen, die ihre Fundstücke präsentieren. Wissen wird ausgetauscht, ergänzt. So kommt immer mehr Licht ins Dunkel unserer Vor- und Frühgeschichte. Geschichte wird fortgeschrieben auch Dank der archäologischen Untersuchungen. Neue wissenschaftliche Methoden verhelfen zu einem Geschichtsbild, das bis zu 600 000 Jahre vor Christi Geburt reicht. In den Museen sorgen die Ehrenamtlichen auch mit dem Restaurieren archäologischer Funde, Vorträgen, Sonderausstellungen und Exkursionen dafür, dass es eine Geschichte zum Anfassen ist und bleibt.